Deutsch fuer Profis

Dienstag, 16. August 2005

73 Möglichkeiten, nein zu sagen

Da ich nicht alle 73 Möglichkeiten hier aufzählen möchte, nur einen kurzen Einblick in das Gemeinte.
1. Direkte Verneinung
alle (die Äpfel sind alle- keine mehr da)
alles andere als
außer
nichtig
niemals
Null
ohne
wenig
2. Integrierte Verneinung
Boykott
Fehler
Flaute
knapp
Mangel
Pleite
schlecht
Schwund
selten
3. Verneinung durch Vorsilben
a- (amoralisch)
ab- (ablehnen)
aus- (ausbleiben)
fehl- (Fehlstart)
fern- (fernbleiben)
unter- (unterlassen)
ver- (verbieten)
zurück- (zurücklassen)
4. Verneinung durch Nachsilben
-frei (koffeinfrei)
-leer (inhaltsleer)
-los (arbeitslos)

Kapitel 22 -Einbruch mit der Verneinung-

Jede Verneinung ist ein Problem; die doppelte eine Katastrophe. Statt eine Verneinung durch ein klares Nein, Kein oder Nicht auszudrücken, werden 73 Wörter und Silben benutzt, die das anstelle tun. (Siehe: 73 Möglichkeiten, nein zu sagen)
So verwundert es nicht, dass nach amerikanischen Untersuchungen der Durchschnittsmensch um 48 % mehr Zeit braucht, eine verneinende Satzaussage zu erstehen, als eine bejahende. Noch viel mehr Zeit wird vergeudet, wenn Rundfunkredakteure die Verneinung mutwillig hinauszögern und so den Hörer auf eine falsche Fährte locken wie in diesem Fall: „Bei Verhandlungen konnte ein Fortschritt nicht erzielt werden.“ Mit der doppelten Verneinung betreten wir vollends glattes Eis. Viele Leute verstehen sie nicht oder falsch, denn um eins klar zu machen: Zwei Verneinungen heben einander auf! Und drei Verneinungen, die versteht man schon gar nicht mehr. „Ich hoffe nicht, dass Sie außer Stande sein könnten, diese Einsicht von sich fern zu halten.“, was soviel heißt wie: „Ich hoffe, dass sie keine Einsicht haben.“

Kapitel 21 -Ein Vorschlag an die Nachrichtenagenturen-

Die Nachrichtenagenturen orientieren sich streng an ihren Abnehmern, zu dumm nur, dass es nicht die Millionen Leser oder Hörer sind, sondern die Nachrichtenredakteure. Diese Redakteure sind gehetzte und überarbeitete Menschen, die eine Auswahl von zwei, drei, vier oder sogar mehr Nachrichten von verschiedenen Agenturen haben. Welche Nachricht wählen sie also in den 20 Sekunden, die sie zur Verfügung haben aus? Im Idealfall natürlich jene, die sie am meisten anspricht, aber in der Realität ist es nicht der Fall, da wird es jene Nachricht sein, die dem Redakteur mit der Sensation ins Gesicht springt: „97 Menschen kamen ums leben, als…“. Würden sich die Redakteure so an ihrer Abnehmern orientieren, an den Lesern und Hörern, wie es die Agenturen tun, so müsste jeder Nachrichtenanfang umgeschrieben werden, Subjekt vor Objekt usw. Da das zeitraubend und lästig ist, bestehen sie als einzige Menschen darauf, das im Dienst falsch zu machen, was Kinder und Dichter richtig machen.

Donnerstag, 11. August 2005

Kapitel 20 -Der notwendige Überfluss-

Das Übermaß, den Überfluss oder der Wortschwall, auch gleichbedeutend mit redundant. Redundant sind die ungenutzten Teile des Aufwands, d.h. diejenigen Elemente einer Mitteilung, die über den nackten Neuigkeitswert hinausgehen und folglich weggelassen werden könnten. So erfand Levi das Telegramm ohne Worte, als er die Mitteilung von seinem Schwiegersohn Cohn bekam: „Rebekka glücklich entbunden Sohn.“ Er schrieb zornig zurück:
„Rebekka? Kann ich mir denken, wo se is die einzige Tochter. Glücklich? Kann ich mir auch denken, wenn se hat einen Sohn. Entbunden? Kann ich mir zweimal denken, wie soll se sonst kommen zu einem Sohn! Und Sohn? Das hab ich schon gewusst, wie der Bote kam – wärste auf die Post gerannt für eine Tochter? Also, schmeiss nicht immer Geld weg für so lange Telegramme!“ Tja, so kann man es auch machen ;-) Redundanz ist nicht nur das notwendige Beiwerk zur Information, sondern auch das Überflüssige, das Geschwätz. Wo verläuft die Grenze zwischen notwendiger und überflüssiger Redundanz? Je nachdem was man zu sagen hat, wem man es sagt und in welcher Situation man es sagt, muss man keine, wenig oder viel Redundanz anbieten – umso mehr:
- je komplizierter das Thema ist, über das der Leser informiert werden soll
- je gleichgültiger ihnen das Thema ist
- je träger und müder sie sind
- je enger ihr Erfahrungshorizont ist
- je niedriger ihr Erwartungshorizont liegt.
Erfolgsrezept eines amerikanischen Predigers: Dreimal gesagt versteht sich leichter.
Erst sage ich den Leuten, was ich ihnen sagen will. Dann sage ich es ihnen. Dann sage ich ihnen, was ich ihnen gerade gesagt habe.

Kapitel 19 -Wo verständliches und gutes Deutsch sich trennen-

Nun kommen wir an den Punkt, an dem sich Verständlichkeit und gutes Deutsch trennen, teils ohne Beziehung, teils in Feindschaft zueinander.
Da ist zum einen die Ironie, die Jean Paul als „verdrießlichen Lippenkrebs“ bezeichnete und die Einführung von „Ironiezeichen“ vorschlug, damit jeder wissen, dass das Gegenteil gemeint sei. Faustregel: Die Zahl der Leser oder Hörer, die Ironie mögen oder auch nur erkennen, ist immer kleiner, als Journalisten möchten.
Zum anderen ist da das Sprachklischee, die stets präsente, tausendfach benutzte Floskel, wie bettelarm, bitterkalt, stinkfaul, goldrichtig, steinreich, stockfinster oder splitternackt.
Und doch kann Feindschaft in Freundschaft übergehen. Zur Verständnisfähigkeit des Lesers muss seine Verständnisbereitschaft kommen, zur Transparenz des Textes eine Attraktivität. Falls nicht der pure Inhalt faszinierend ist, muss interessante Sprache motivieren, dem Text treu zu bleiben. So gehen z.B. Sprichwörter glatt ins Ohr und ebenso rasch wieder hinaus, meist nur halb verstanden. „Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.“ wird von Halbwüchsigen eher verstanden, wenn man es umdreht in „Hüten wir uns, mit dem Bad das Kind auszuschütten.“ Man muss also für tieferes Verständnis sorgen. Christoph Schwarze unterscheidet vier Stufen der Verständnistiefe:
1. Der Leser/Hörer erkennt ein Wort wieder und kann es wiederholen.
2. Der Leser kann den gemeinten Gegenstand einordnen (wenn auch nicht zwingend erklären)
3. Der Leser kann den gemeinten Gegenstand erklären.
4. Der Leser kann begründen, in Kausalzusammenhänge stellen.

Samstag, 6. August 2005

Sieben goldene Rede-Regeln

1. Man kann über alles reden, aber nicht über 45 Minuten.
2. Das Publikum ist wichtiger als das Manuskript.
3. Nicht jede Rede muss bei Adam und Eva beginnen.
4. Wer verstanden werden will, muss verständlich sprechen.
5. Auch wenn alles falsch ist, müssen Namen stimmen.
6. Witz ist gut, selbst gute Witze sind nicht immer angebracht.
7. Wer keine Frage offen lässt, hat die Diskussion abgewürgt.
(Rolf Breitenstein, „ghostwriter“ von Helmut Schmidt)

Tipps für das Schreiben einer Rede

1. Laut lesen.
2. Dabei oder danach: die meisten Füllwörter und möglichst viele Adjektive streichen; bei fahrlässigen Wiederholungen andere Wörter einsetzen; rote Schlangenlinien an Stellen des Missvergnügens machen.
3. Den logischen Ablauf prüfen.
4. Den dramaturgischen Ablauf prüfen.
5. Alle Stelen überarbeiten, die eine Schlangenlinie bekommen haben.
6. Die Passagen überarbeiten, die den Gegenlesern missfallen haben.
7. Noch mal laut lesen.
Das klingt zwar mühsam und zeitaufwendig, aber es erfüllt seinen Zweck, und gefällt es einem nach all den Mühen immer noch nicht, dann muss man halt in letzter Konsequenz die Rede noch einmal von vorne schreiben ;-)

Kapitel 18 -Soll man schreiben, wie man spricht?-

Diese Stilregel wird so häufig und heftig verkündet wie nur noch der Ruf nach kurzen Sätzen und Hauptsätzen. Unter diesen drei ebenso populären wie groben Faustregeln ist sie freilich die gröbste: nämlich ungefähr zur Hälfte falsch! Der schreibende Mensch hat die Neigung, abstraktes, gespreiztes, geblähtes Deutsch zu gebären: „Zwölf verletzte gab es, als die Polizeimacht mit rüder Gewalt gegen die Hausbesetzerszene vorging“ schreibt er beispielsweise – obwohl seine Erzählung lauten würde: „Haste gehört? Mit Gummiknüppeln haben die Bullen auf die Hausbesetzer eingedroschen, zwölf mussten ins Krankenhaus!“
Das ganze Zunft-, Bläh-, und Bürokratendeutsch ginge über Bord, wenn wir schrieben, wie wir sprechen.
Die Schwächen des gesprochenen Worts:
1. Den wenigsten ist es gegeben, einen komplizierten Sachverhalt mündlich angemessen auszudrücken. (erkläre einem Nichtmathematiker die Relativitätstheorie)
2. Den wenigsten ist es gegeben, in mündlicher Rede die Mehrzahl ihrer Sätze zu jenem Ende zu bringen, das sie offenbar angepeilt hatten.
3. Die meisten neigen in mündlicher Rede zu unendlicher Geschwätzigkeit; nicht doppelt erzählen sie alles, das ginge ja noch, sondern siebenfach. (Es ist wahrscheinlich, dass ich in einer Minute des Lesens mehr Information entnehmen kann als in einer Minute des Zuhörens)
4. Füllwörter machen sich mündlich in einer Weise breit, die auch präzise Redner erschreckt, wenn sie die Abschrift ihrer mündlich gehaltenen Rede lesen. (Die Nuns, Danns und Dochs gehen auf die nerven)
5. Modewörter und Klischees drängen sich ungleich stärker in den Vordergrund.
6. Nach fünfhundert Jahren Buchdruck und jahrzehntelanger Vervielfältigung durch die Massenmedien ist die Rede zu großen Teilen zur Reproduktion der Schriftsprache geworden.

Kapitel 17 -Gegen den Schachtelsatz: Nebensätze anhängen!-

Schopenhauer: „Der leitende Grundsatz der Stilistik sollte sein, dass der Mensch nur einen Gedanken zur Zeit deutlich denken kann; daher ihm nicht zugemutet werden darf, dass er deren mehrere auf einmal denke. Dies aber mutet ihm der zu, welcher solche, als Zwischensätze, in die Lücken einer Hauptperiode schiebt.“
Daher: Nebensätze anhängen, Klemmkonstruktionen aufbrechen. Zum Beispiel: „Bei mir stellt sich eine starke Abneigung, derer ich nicht Herr werden konnte, gegen Karls Freund ein.“, besser ist: „Bei mir stellte sich eine starke Abneigung gegen Karls Freund ein, derer ich nicht Herr werden konnte.“, noch besser ist: „Bei mir stellte sich gegen Karls Freund eine starke Abneigung ein, derer ich nicht Herr werden konnte.“
Bestehendes Risiko beim Anhängen eines Nebensatzes ist jedoch, dass er falsch angehängt wird, wie z.B. hier: „Studentin sucht Zimmer mit Bett, in dem sie auch Musikunterricht geben kann.“
Als Faustregel sollte gelten: Zwei Hauptsätze hintereinander ohne Nebensätze klingen meistens hart. Der zweite Hauptsatz sollte mit einem angehängten Nebensatz für Abwechslung sorgen, für Melodie, Für Sprachfluss, für Bewegung.

Freitag, 22. Juli 2005

Kapitel 16 -Gegen den Schachtelsatz: Scheinwerfer auf!-

Wir drückt man nun seine Gedanken so aus, dass jeder sie versteht? Wir machen klugen Gebrauch von den Nebensätzen, und im Hauptsatz platzieren wir die Wörter nach schlichter Vernunft. Einfacher gesagt als getan, denn schon die deutsche Grammatik macht uns einen Strich durch die Rechnung. „Peter hat seinem Vater im Garten geholfen.“: hat und geholfen umklammern das Objekt, Objekt und Umgebungsangabe reißen das Verb in zwei Stücke, und schleudern es an die entgegengesetzten Enden des Satzes. In allen westeuropäischen Sprachen heißt es: Peter hat geholfen (wem?) seinem Vater (wo?) im Garten. Risiko Nummer eins ist, wir verstehen den Satz auf halbem Weg falsch, Risiko Nummer zwei, wir verstehen überhaupt nicht, bis wir durch das letzte Wort erfahren, was wir hätten verstehen sollen. „Die Kinder schlugen ihren Mitschüler“ (typisch!) „zum Klassensprecher vor“ (ach so!). Was kann man tun, um dieser Tücke des deutschen Syntax zu entrinnen?
1. Aus einem Zwischensatz wird ein angehängter Nebensatz.
2. Längere Umstandsangaben nimmt man aus dem Mittelfeld raus, und trägt sie nach, verbunden durch: und zwar, nämlich, das heißt…. Beispiel: Nicht: „Vance will in Israel und anschließend in Ägypten, Libanon, Jordanien, Saudi Arabien und Syrien Möglichkeiten für eine Wiederaufnahme der Friedenskonferenz von Genf erkunden.“ Sondern: „Vance will Möglichkeiten für eine Wiederaufnahme der Friedenskonferenz von Genf erkunden, (und zwar) zunächst in Israel, anschließend Ägypten,…“
3. Durch das einschieben des Verbs gleich hinter der ersten Aufzählung: „Bei extremer Kälte soll zunächst die Warmwasserversorgung in den Wohnungen Abgestellt werden, ferner die Heizung in Behörden,…“
4. Das Verb vor die Präposition oder Umstandsangabe ziehen: „Morgen soll ich meinen Dienst antreten in diesem Hause.“ (Thomas Mann)
5. Durch Zerschlagung eines Satzes, mit einem Doppelpunkt als Scharnier: „Bei extremer Kälte sollen zunächst abgestellt werden: die Heizung der Behörden, Kulturzentren,…“
6. Subjekt vor Objekt. Es ist töricht, das Subjekt in Appositionen zu ersäufen, die erst vom Subjekt her verständlich werden: „Mäßige bis frische, an der Küste stellenweise böig auffrischend, von West auf Nordwest drehende, später umlaufende Winde:“

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